Wenn man schon ein paar Jahre spielt, dann werden die Überraschungen bei den Neuerscheinungen immer seltener. Besonders in einer Zeit, in der der Eindruck entsteht, dass sich etablierte Spieleschmieden – vielleicht unter dem Druck der Publisher – nicht mehr an mutige Eigenentwicklungen wagen. Immer seltener sah man eine Zeit lang , so jedenfalls mein Gefühl, Spieleneuerscheinungen, die den Namen auch zu recht tragen; immer häufiger trugen und tragen die Releasetitel eine Zahl im Namen, die andeutet, dass es eben nicht eine wirklich neue Spielidee ist, sondern vielmehr eine technische Weiterentwicklung oder eine Portierung eines bereits etablierten Spiels in ein neues Setting.
Das ist nicht nur schade, sondern auch mit der Zeit langweilig. Ja, so gerne ich Battlefield spiele und so sehr ich die Ausflüge vom Zweiten Weltkrieg in die Moderne, in den Ersten Weltkrieg und zurück in den Zweiten Weltkrieg gefeiert habe, bieten die Spiele keine Innovationen abseits der technischen. Grafik, Sound und Spielmechaniken werden zwar verbessert aber nie so sehr geändert, dass man das Spiel nicht wieder erkennen würde. Zu selten werde ich überrascht von dem, was ein solches Spiel mir bietet oder freue mich über neue und einfallsreiche Spielmechaniken.
Sicher ist es nicht sonderlich klug, sich über mangelnde Innovationen in Spielen zu beschweren, wenn man als Beispiel dann Battlefield zitiert. Im vollen Bewusstsein dessen Suche ich auch gerne abseits der ausgetretenen und wie Fast Food wirkenden Pfade der AAA-Titel nach interessanten Spielen.
Das letzte, das mich dabei wirklich gefesselt hatte war „Ori And The Blind Forrest“.
Ich gebe zu, dass sich die Begeisterung auch erst einstellen musste, als das Spiel vor nunmehr fünf Jahren erschienen ist. Zunächst wirkte es auf mich sehr asiatisch, mit einer Welt und deren Bewohner, die mir fremd und nicht wirklich nahbar erschienen. Dazu kam noch die drollige Aufmachung der Charaktere. Doch dann habe ich es gespielt und fand es sehr schön.
Fast schon rührig kommt das Intro daher, das eine Geschichte über das verlorene Lichtwesen Ori erzählt, dass von einem Wesen namens Naru nach einem schlimmen Zwischenfall adoptiert wird. Doch der Weltenbaum, dem Ori eigentlich angehört, verkümmert mit der Zeit und es scheint an Ori zu sein, den Weltenbaum zu retten und das Licht zu eben diesem Zentrum des Waldes zurück zu bringen. Dabei begegnen Ori verschiedenste Wesen, manche nett, manche hilfreich, manche zunächst sehr suspekt und manche einfach nur hinderlich oder gar böse. An Oris Seite ist das kleine Licht Sein, das seinerseits ein Teil des Weltenbaums war und mit diesem noch verbunden zu sein scheint. Sein ist es auch, der zu Begin des Abenteuers viele Erklärungen liefert und Gegenstände in einen Kontext bringt. Schließlich kann Sein auch Lichtgeschosse verschießen und ist damit zumindest am Anfang auch für die Schießereien zuständig.
All diese Elemente sind bei Ori And The Blind Forrest in ein schönes visuelles Konzept integriert. Ori muss unterschiedliche Gebiete durchreisen, auf der Suche nach den einzelnen Lichtern für den Wald. Neben den anfänglichen Waldgebieten folgen Grotten, Nebelreiche und auch dunkle unterirdische Höhlen in denen die Orientierung und die Sicht deutlich erschwert sind. Auch die Bewohner der unterschiedlichen Gebiete unterscheiden sich angenehm voneinander und verlangen immer wieder neue Strategien, um sie zu überwinden. Ganz im Sinne der Jump-And-Run-Historie steuert man Ori dabei durch unterschiedliche Passagen, in denen vor allem das Timing der Sprünge passen muss und der Umgang mit den unterschiedlichen Gegnertypen. Da Ori die eigenen Fähigkeiten erst langsam, nach und nach ausbaut, muss man am Anfang sogar gegebenenfalls die unfreundlich gesinnten Gegner dazu nutzen, eine Passage zu öffnen oder einen anderen Mechanismus auszulösen. Auch Passagen, die man im ersten Anlauf definitiv noch nicht lösen kann, gibt es; an diese Stellen sollte man auf jeden Fall später noch einmal zurück kommen, um mithilfe der neuen Fähigkeiten erweiterte Bereiche in dem Level freizuschalten. Ori And The Blind Forrest ist dabei immer irgendwie fordernd, ohne gänzlich unfair zu wirken und ich fühle mich beim Spielen immer gut an der Hand genommen. Wenn ich mich zwischendurch dabei erwische, dass ich nicht mehr wirklich weiß, warum ich grade unterwegs bin, dann liegt es zumeist daran, dass ich mich in den wunderschönen Animationen oder Hintergründen verloren habe. Manche Level habe ich dabei auch schon zweimal durchlaufen, nur um sie noch einmal zu sehen.
Mich hat das Spiel vor allem durch die Kombination aus Grafik, Spielerlebnis, Erzählstil und Soundtrack gefesselt. Immer hatte ich das Gefühl, mit Ori das Abenteuer gemeinsam zu erleben. Nie hatte ich das Gefühl, dass es Passagen gibt, in denen diese wunderbare Immersion allzu stark abgeschwächt wird, wenngleich es immer wieder Passagen gibt, bei denen ich auch einmal herzhaft fluchen musste, weil es auch beim dritten und vierten Anlauf nicht geklappt hat. Ori wuchs mir mit fortschreitendem Spielverlauf immer mehr ans Herz und so wurde es ein persönliches Anliegen, das Lichtwesen nicht abstürzen oder sterben zu lassen.
Ori and The Blind Forrest wurde vom österreichischem „Moon Studio“ programmiert. Sie haben damit anscheinend so sehr beeindruckt, dass sie von Microsoft direkt gepublished werden. Das erste Spiel erschien zunächst als Download-Titel für XBox und PC unter dem XBox Game Studios Label. Interessant ist, dass zwar der Firmensitz von Moon Studios in Wien ist, die eigentliche Entwicklungsarbeit allerdings über den gesamten Globus verteilt passiert. So kann kollaboratives Arbeiten heute eben auch aussehen.
Ich kann das Spiel nur jedem empfehlen, der gerne auch mal ein wenig Jump-And-Run spielt und neben den Klassikern ein wenig neuen Wind zulassen möchte. Und wenn es dann doch zu schnell vorbei ist, kann man es doch als konzentrierter Spieler in sieben bis neun Stunden durchspielen, gibt es ja zum Glück auch für Ori einen weiteren Titel – der enthält zum Glück auch keine Zahl sondern heißt Ori And The Will Of The Wisp.